In Deutschland wird in vielen Bereichen nach wie vor oft unnötig – ohne eindeutige Indikation – operiert, kritisierte die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) anlässlich des Welttags der Patientensicherheit am 17. September 2024. „Für die Chirurgie bedeutet das Indikationssicherheit, also die Frage, ob eine Operation tatsächlich angezeigt ist“, erklärte dazu der DGCH-Generalsekretär Prof. Dr. Thomas Schmitz-Rixen.

„Die Gründe dafür liegen häufig im ökonomischen Druck, der mit dem Erreichen bestimmter Mindestmengen-Vorgaben oder Fallzahlen verbunden ist“, so Schmitz-Rixen. Um Patienten vor unnötigen Behandlungen zu schützen, besteht daher seit 2019 für eine Reihe planbarer Eingriffe und Operationen ein gesetzlicher Anspruch auf ein geregeltes ärztliches Zweitmeinungsverfahren, das die Kassen übernehmen. Die Liste der zweitmeinungsberechtigten Eingriffe wird laufend erweitert – zuletzt im Juli um Eingriffe am Hüftgelenk, ab Oktober um geplante Eingriffe an Aortenaneurysmen.

So werden Aortenaneurysmen häufig unnötig operiert. Zwar empfehlen die Leitlinien, erst ab einer Aorta-Ausdehnung von mehr als 5,5 Zentimetern zu operieren. „Wir liegen in Deutschland aber im Durchschnitt statistisch gesehen bei 5,5 Zentimetern und wir gehen davon aus, dass in 40 Prozent der Fälle außerhalb der Leitlinie operiert wird“, so Schmitz-Rixen.

Zwar haben gesetzlich Versicherte im Rahmen der freien Arztwahl immer die Möglichkeit, mit einer hausärztlichen Überweisung einen weiteren Facharzt zu konsultieren, um eine zweite Meinung zu einer vorgeschlagenen Behandlung, Untersuchung oder Operation einzuholen. Dennoch empfiehlt die DGCH, die strukturierten gesetzlichen Zweitmeinungsverfahren zu erweitern.

„Dies sollte der Fall sein vor allem für schwerwiegende und lebensverändernde Operationen etwa an Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre oder Mastdarm“, forderte Schmitz-Rixen. „Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Patientensicherheit, sofern es sich nicht um akute Erkrankungen handelt, die sofort behandelt werden müssen“, ergänzte der DGCH-Präsident Prof. Dr. Rolle.

Einen weiteren Ansatz, um die Indikationssicherheit zu erhöhen sehen die DGCH-Experten in Leitlinien. „Leitlinien sind ein wichtiges Instrument“, so Schmitz-Rixen. „Aber Leitlinien sind nur so gut wie die Evidenz, auf der sie beruhen, und es gibt zu wenig prospektiv-randomisierte Studien.“ Häufig fehle zudem der Bezug zur Ergebnisqualität.