Der Ende September 2023 veröffentlichte „BARMER Arzneimittelreport 2023“ thematisiert die ambulante Therapie mit Schmerzmitteln bei erwachsenen Versicherten ohne Tumordiagnose. Es handelt sich dabei um ein besonders relevantes Thema, denn Schmerzen sind häufig: 53 Prozent der Männer und 67 Prozent der Frauen gaben an, im letzten Jahr Schmerzen gehabt zu haben. Bei Versicherten ohne Tumordiagnose hat jeder Dritte (32,7 Prozent) und jeder Zweite ab 80 Jahren (51,5 Prozent) 2021 eine Verordnung medikamentöser Schmerztherapie erhalten.

Die Analysen zeigen, dass Schmerztherapie einen großen Teil der Versicherten betrifft und dass Schmerztherapie bei Patienten ohne onkologische Diagnose nicht nur akut, sondern häufig über mehrere Monate oder sogar Jahre erfolgt. Dies trifft auf nicht-opioide Schmerzmittel und Opioide gleichermaßen zu. Die behandelten Patienten sind dabei fast immer multimorbid und erhielten häufig bereits Polypharmazie vor Beginn der Schmerztherapie. Dementsprechend handelt es sich vor allem um ältere Patienten, die von mehreren Ärzten behandelt werden und ihre Schmerztherapie auch von mehreren Ärzten verordnet bekommen.

Schmerztherapie ist aber eine durch komplexe Therapieentscheidungen und relevante Risiken aller Schmerzmittel geprägte Behandlung. Eine risikofreie medikamentöse Schmerztherapie gibt es nicht, betonen die Autoren der Studie. Daher müssen Ärzte verschiedene Risiken für die jeweilige betroffene Person gegeneinander abwägen und unter Berücksichtigung der patientenindividuellen Faktoren und der Patientenpräferenzen die richtigen Schmerzmittel auswählen.

Allerdings zeigt sich, dass Ärzte die relevanten vermeidbaren Risiken nicht in dem Umfang kennen und berücksichtigen, in dem das nach evidenzbasierten Maßstäben zu erwarten wäre. Dies ergeben die Analysen für verschiedene Risikokonstellationen, wie zum Beispiel:

  • Verordnung von NSAR trotz Herzinsuffizienz
  • Verordnung von NSAR trotz Niereninsuffizienz
  • Verordnung von NSAR in Kombination mit ACE-Hemmern und Diuretika
  • Blutungsrisiko durch Kombinationsverordnung von NSAR ohne PPI
  • Agranulozytose unter Metamizol
  • Kombination von Metamizol mit Methotrexat
  • Verordnung von Opioiden ohne Laxanzien
  • Verordnung von Opioiden in Kombination mit Tranquilizer

Insgesamt ergibt sich, dass ein relevanter Anteil der exponierten Versicherten vermeidbaren Risiken ausgesetzt ist, erklären die Autoren. Die Analysen haben auch gezeigt, dass aus diesen vermeidbaren Risiken patientenrelevante vermeidbare Schäden resultieren, so etwa eine Agranulozytose unter Metamizol oder eine stationäre Behandlung wegen Ileus unter Opioiden.

Das Risiko erhöhende Faktoren sind hierbei v. a.

  • fehlende Kenntnis der Gesamtmedikation und der Patientenfaktoren
  • fehlende Kenntnis oder falsche Einschätzung der Risiken
  • unzureichende Abstimmung aufgrund der Komplexität des Behandlungsgefüges
  • unzureichende Aufklärung und Schulung von Patienten
  • zu hoher Zeitbedarf für Informationsbeschaffung und Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)

https://www.barmer.de/resource/blob/1241248/8e2483171c80ba878809dfdac7ccdb8e/arzneimittelreport-2023-data.pdf