Bei chronischen Schmerzzuständen ohne nachweisbaren nozizeptiven oder neuropathischen Befund werden in Deutschland als Ultima Ratio oft Opiate verordnet, kritisieren Dr. Doris Klingler, Klinikdirektorin der Vitos Klinik für Psychosomatik in Weilmünster, Dr. Katrin Naundorf und Ulrich T. Egle im Hessischen Ärzteblatt (Heft 6/2023, S. 351-353).

Tatsächlich zeigen aber Metaanalysen, dass diese den Nicht-Opiaten kaum überlegen sind. Während es in den USA infolge der „Opioid-Krise“ bei der ärztlichen Verordnung von Opiaten zu einem erheblichen Rückgang gekommen ist, liegt Deutschland mittlerweile pro Kopf der Bevölkerung weltweit (nach Kanada und der Schweiz) an dritter Stelle (umgerechnet in Morphineinheiten pro Tag und Kopf der Bevölkerung).

Eine längere Einnahme von Opiaten erhöht jedoch nicht nur das Risiko für Schlafstörungen und Abhängigkeit, sondern auch für die Entwicklung einer opiatinduzierten Hyperalgesie (OIH). Typische Kennzeichen sind eine sukzessive Schmerzzunahme und -ausweitung auf andere Körperareale, in deren Folge es dann oft auch zu einer Dosissteigerung kommt.

Hier helfen nur eine stufenweise Dosisreduktion auf null über 10 bis 14 Tage (in der Regel unter stationären Bedingungen) sowie eine personalisierte Therapiekonzeption unter Berücksichtigung der inzwischen bekannten Mechanismen der Schmerzperzeption im Gehirn, warnen die Autoren.

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