Die Psychoonkologie geht davon aus, dass biologische, psychische und soziale Faktoren die Entstehung einer Krebserkrankung beeinflussen und die Krebserkrankung sich wiederum auf biologische, psychische und soziale Faktoren auswirken kann. Daher ist die aktuelle S3-Leitlinie „Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatient*innen“ (Version 2.0; Stand: 31. Mai 2023; AWMF-Registernummer: 032-051OL) nicht nur für die Therapie, sondern auch für die Begutachtung von Krebspatienten (etwa hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit) von Bedeutung.

Als Vulnerabilitätsfaktoren und Prädiktoren für psychische Störungen bei Krebspatienten ist eine Reihe von soziodemografischen Faktoren, insbesondere Alter, Geschlecht, Bildungsstand und sozioökonomischer Status, zu nennen. Weiterhin begünstigen Schmerzen, eine hohe körperliche Symptombelastung und Fatigue das Auftreten einer psychischen Störung.

Psychische Belastungen, Schmerzen und körperliche Funktionsstörungen stehen in enger Wechselwirkung. So können psychische Belastungen die Schmerzwahrnehmung und wahrgenommenen Einschränkungen durch körperliche Funktionsstörungen verstärken sowie starke Schmerzen und körperliche Funktionsstörungen wiederum psychische Belastungen erhöhen.

Die Überlappung von körperlichen Symptomen psychischer Störungen mit krankheits- oder therapiebedingten Symptomen stellt eine Besonderheit der Diagnostik psychischer Störungen bei Krebspatienten dar, sodass ggf. eine sorgfältige Differenzialdiagnostik erforderlich ist.

Die Diagnostik einer klinisch relevanten komorbiden Störung bei Krebspatienten folgt den Grundlagen der Klassifikationssysteme ICD oder DSM. Hierbei sind die Abgrenzung gegenüber somatischen Beschwerden oder einer angemessenen psychischen Reaktion auf die Krebserkrankung sowie die biologisch-organischen Folgen der Krebserkrankung bzw. der Behandlung zu berücksichtigen. Eine Diagnostik psychischer Störungen und die Erhebung des psychopathologischen Befundes sollten sich neben den international anerkannten Kriterien der ICD/DSM-Klassifikation immer auch am Krankheitsstadium, an der Prognose und am körperlichen Gesundheitszustand des Krebspatienten orientieren.

Hierzu lautet die entsprechende Empfehlung: „Die Erfassung der psychosozialen Belastung und des individuellen psychoonkologischen Unterstützungs- und Behandlungsbedarfes sollte so früh wie möglich und dann wiederholt im Krankheitsverlauf erfolgen.“

https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/032-051OL