Bei der Begutachtung alternativmedizinischer Behandlungen hinsichtlich der medizinischen Notwendigkeit (etwa für die private Krankenversicherung – PKV) stellt sich oft die Frage, ob deren Wirksamkeit tatsächlich nachgewiesen ist. Häufig wird dabei auf angebliche Behandlungserfolge in (fragwürdigen) Studien verwiesen, ohne dass diese den Kriterien der wissenschaftlichen Medizin entsprechen.

Welche Bedeutung aber Placebo-kontrollierte wissenschaftliche Studien haben, erläuterte Prof. Dr. Andreas Stang vom Universitätsklinikum Essen, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Biometrie & Epidemiologie (IMIBE), auf dem 16. Onkologie-Update-Seminar am 27. und 28. Januar 2023 in Mainz.

Die Placebo-Gabe in randomisierten kontrollierten Studien dient dem Zwecke der Erzeugung der Behandlungsgleichheit und damit der Gleichschaltung eines sog. Erwartungs-Bias der Patienten. Würde man in einer randomisierten kontrollierten Studie eine neue medikamentöse Therapie gegenüber Nichtstun vergleichen, so bestände selbst bei Unwirksamkeit der neuen medikamentösen Therapie die Gefahr, dass ein Unterschied für das interessierende Outcome (Behandlungsergebnis) beobachtet wird, der alleine aufgrund der unterschiedlichen Erwartungshaltung der Patientengruppen entsteht:

  • Patienten, die mit der neuen medikamentösen Therapie behandelt werden, entwickeln bei „Placebo-responsiven“ Endpunkten in (onkologischen) Studien wie z. B. Schmerz bzw. Schmerzmittelbedarf, Gewichtszunahme, Appetit oder Performance-Status eine positive Erwartungshaltung und berichten in der Nachbeobachtung etwa ein Nachlassen des Schmerzes, obwohl das Medikament tatsächlich unwirksam ist.
  • Bei Patienten, die der Therapiegruppe „Nichtstun“ angehören, wird diese positive Erwartungshaltung dagegen nicht provoziert.

Mit dem Vergleich neuer Medikamente gegenüber Placebo wird also in beiden Studienarmen ein Erwartungseffekt produziert und somit ein solcher Bias (Verzerrung der eigenen Wahrnehmung) vermieden, erklärte Stang.

Newsletter Ausgabe 01/23