In der aktuellen S2k-Leitlinie Qualitätsanforderungen in der gastrointestinalen Endoskopieder Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS; Version 2.0 vom Juli 2025; AWMF Register Nr. 021–022) werden die Anforderungen an die Aufklärung über endoskopische Eingriffe von dem Fachanwalt für Medizinrecht Prof. Dr. Peter Hüttl ausführlich dargelegt.

Die Ausführungen zu den Grundsätzen der Behandlungs-, Risiko- und Sicherungsaufklärung sowie zu den Anforderungen an das Aufklärungsgespräch, die durchaus auch für Ärzte anderer Fachrichtungen (und für Gutachter im Arzthaftungsprozess!) relevant sind, werden hier – redaktionell bearbeitet – zusammengefasst:

Es ist ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH), dass jeder ärztliche Eingriff, auch wenn er lege artis durchgeführt wurde, im Sinne der §§ 223 ff. StGB eine Körperverletzung darstellt. Die Strafbarkeit und zivilrechtliche Haftung entfallen demnach nur, wenn eine rechtswirksame Einwilligung des Patienten vorliegt. Damit der Patient unter Wahrung seiner Entscheidungsfreiheit wirksam in den Eingriff überhaupt einwilligen kann, muss er über die mit dem medizinischen Eingriff verbundenen Risiken umfassend und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung aufgeklärt werden.

Zentrale Aufgabe der ärztlichen Aufklärung ist es daher, dem Patienten Art, Bedeutung, Ablauf und Folgen eines geplanten Eingriffes zu verdeutlichen. Er soll aufgrund dieser Mitteilung der Grundzüge des Eingriffes verstehen (was mit ihm geschieht) und unter Zugrundelegung dieser Informationen in die Lage versetzt werden, das Für und Wider des geplanten Eingriffes abzuschätzen. Die Aufklärungspflicht des Arztes beschränkt sich nicht nur auf den Eingriff als solchen, sondern es wird vielmehr vom Arzt gefordert, dass er nahezu in allen Bereichen seines Handelns mit dem Patienten ein Aufklärungsgespräch führt, sofern dessen Selbstbestimmungsrecht tangiert ist.

Behandlungs-, Risiko- und Sicherungsaufklärung

Im Rahmen der Behandlungsaufklärung muss eine Information des Patienten darüber erfolgen, welche Behandlung in Frage kommt. Hierzu gehören die Klarstellung der Art der konkreten Behandlung, die Erläuterung der Tragweite des Eingriffes und auch der Hinweis auf bereits vorhersehbare Operationserweiterungen und möglicherweise erforderliche Nachoperationen.

Insbesondere muss klar betont werden, dass der Patient ein Anrecht darauf hat, über Behandlungsalternativen aufgeklärt zu werden. Es muss sich dabei jedoch um tatsächliche Alternativen in der Behandlung handeln, die zudem gleichwertige Chancen bieten, aber jeweils verschiedenen Risiken unterliegen.

Die Aufgabe der Risikoaufklärung besteht darin, dem Patienten diejenigen Gefahren schonungslos zu benennen, die trotz fehlerfreien medizinischen Vorgehens für ihn bestehen, möglich und nicht sicher beherrschbar sind. Für die mindestens erforderliche Grundaufklärung ist in aller Regel ein Hinweis auf das schwerste, dem Eingriff spezifisch anhaftende Risiko erforderlich.

Auch über seltene Risiken (Komplikationsdichte kleiner als 0,1 %) muss der Patient aufgeklärt werden, wenn der Eintritt des Risikos erhebliche Auswirkungen auf das Leben des Patienten haben kann und die Risiken dem Eingriff spezifisch anhaften, auch wenn sie selten sind. Im Rahmen der Behandlungsaufklärung muss auch klargelegt werden, mit welchen Konsequenzen im Fall der Nichtbehandlung zu rechnen ist.

Die Sicherungsaufklärung spielt gerade bei Sedierungen die größte Rolle. Der Patient muss über das korrekte Verhalten nach der Sedierung und der Entlassung aus der ambulanten Therapie aufgeklärt werden. Es ist daher anzuraten, ein entsprechendes Informationsblatt bereits vor der stattgehabten Sedierung und insbesondere nicht nur dem Patienten, sondern auch ggf. entsprechenden Begleitpersonen auszuhändigen. Schließlich sollte er noch darauf hingewiesen werden, dass er an diesem Tag keine wichtigen oder rechtlich bindenden Entscheidungen treffen darf. Die Aufklärung darüber muss entsprechend dokumentiert werden.

Grundsätzlich ist dem Patienten zudem mitzuteilen, dass eine telefonische Erreichbarkeit zum Arzt oder zum Klinikum besteht. Hierzu gehört insbesondere das Benennen einer entsprechenden Telefonnummer.

Dem Arzt kommt im Falle der Sedierung aufgrund der ihm bekannten und von ihm geschaffenen gefahrerhöhenden Umstände eine Fürsorgepflicht zu, die es erfordert, die Gefahr eines selbstgefährdenden Verhaltens des Patienten auszuschließen. Der Arzt muss demnach die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz des Patienten treffen.

In diesem Fall muss somit sichergestellt werden, dass der Patient im Sinne der Fachterminologie „home ready“, als auch „street ready“ ist. Der Patient muss in diesem Zusammenhang im Zeitpunkt seiner Entfernung aus der Praxis/dem Krankenhaus in der Lage sein, abgewogene und eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.

Hier kommen 2 Aspekte zum Tragen:

  1. Die Art der Sedierung
  2. Die Vorerkrankungen und die Frailty (Gebrechlichkeit) des Patienten

Auch unter demographischen Gesichtspunkten ist die Gewährleitung einer Begleit- bzw. Abholperson nicht in jedem Fal zu gewährleisten. Jüngere Patienten, welche keine offensichtlichen Einschränkungen haben, wählen häufig öffentliche Verkehrsmittel (Bus, Bahn) oder gehen sogar zu Fuß nach Hause. Eine Begleitperson oder auch eine Beobachtung zu Hause wird in erster Linie bei Menschen mit Einschränkungen durch Alter oder Gebrechlichkeit gefordert.

Anforderungen an das Aufklärungsgespräch

Das Aufklärungsgespräch muss von einem Arzt durchgeführt werden; die Delegation des Aufklärungsgespräches auf einen Nichtarzt ist nicht statthaft. Darüber hinaus muss der Arzt die notwendige Ausbildung für den Eingriff vorweisen können, damit er überhaupt die intendierenden Risiken für den Patienten in verständlicher Form darstellen kann. § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB stellt hinsichtlich der Zulässigkeit der Aufklärungsdelegation nunmehr auf die Ausbildung des die Aufklärung durchführenden Arztes ab. Ausweislich der Gesetzesbegründung hat eine abgeschlossene fachliche Ausbildung vorzuliegen, durch welche die notwendige theoretische Befähigung zur Durchführung der Maßnahme erworben wurde.

Die Aufklärung muss immer in einem mündlichen, ausführlichen Patientengespräch erfolgen, und zwar in einer für den Patienten verständlichen Form. Gemäß § 630f Abs. 2 Satz 1 BGB besteht die Verpflichtung, sowohl die Einwilligung als auch die Aufklärung in der Patientenakte zu dokumentieren.

Je weniger dringlich der Eingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an die Aufklärung. Je schwerwiegender die mögliche Folge, desto eher ist auch über Risiken geringerer Wahrscheinlichkeit aufzuklären. Gerade in Zusammenhang mit einer zu erfolgenden Sedierung ist auf die hier speziell gegebenen Komplikationen hinzuweisen (Aspiration, arterielle Hypotension, Brachykardie, Apnoe usw.). Gerade diese typischen Komplikationen müssen mit dem Patienten ausführlich besprochen werden.

Es empfiehlt sich, im Zusammenhang mit der Aufklärung auf standardisierte Aufklärungsbögen zurückzugreifen. Dies entbindet aber nicht von einem ausführlichen Patientengespräch! Entsprechend § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Hs.2 BGB kann auf derartige Unterlagen lediglich ergänzend Bezug genommen werden. Die Aufklärungsbögen dienen insbesondere auch der Dokumentation der durchgeführten Aufklärung. Das stattgehabte Gespräch sollte durch individuelle patientenbezogene Nachfragen dokumentiert werden (beispielsweise nach Aufgeregtheit, Schlaf etc.).

Die Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient noch selbstbestimmt entscheiden kann, ob er den Eingriff durchführen lassen möchte. Eine pauschale Festlegung verbietet sich, da stets die jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls entscheidend sind.

  • Bei einfachen, ambulanten Eingriffen reicht oftmals die Aufklärung am Tag des Eingriffes aus, selbstverständlich beim nicht sedierten Patienten.
  • Bei größeren operativen Eingriffen bzw. schwerwiegenden Eingriffen soll ein Zeitraum von mindestens 24 Stunden gewahrt werden, da eine Aufklärung erst am Vortag einer risikoreichen und umfangreichen Operation nach ständiger Rechtsprechung des BGH zweifellos verspätet ist.

Insgesamt muss allerdings die Aufklärung so früh wie möglich erfolgen. Es ist daher anzustreben, bereits bei der Indikationsstellung zum Eingriff bzw. bei der Terminvereinbarung das Aufklärungsgespräch zu führen. Man geht davon aus, dass die Aufklärung eine Wirksamkeit von zwei bis drei Monaten hat.

Sollte der Patient auf die Aufklärung verzichten, so ist dies gesondert zu dokumentieren und mit einer gesonderten Unterschrift des Patienten zu versehen.

Aufklärung bei besonderen Patientengruppen

Bei ausländischen Patienten ist dafür Sorge zu tragen, dass keine Sprachbarrieren vorhanden sind. Bei Zweifeln an der Sprachkundigkeit des Patienten ist ggf. eine sprachkundige Person hinzuzuziehen. Hierbei muss es sich nicht um einen Dolmetscher handeln, sondern lediglich um eine Person, welche die gleiche Sprache wie der Patient spricht. Dieser ist zudem um sein Einverständnis (Schweigepflichtentbindung) zu ersuchen, ob diese Person übersetzen darf. Schließlich muss der aufklärende Arzt prüfen, ob die als Dolmetscher fungierende Person seine Erläuterungen verstanden hat, und bei dem Patienten rückfragen – über den Dolmetscher – ob er die Aufklärung verstanden hat.

Bei Minderjährigen ist es zwingend, auch die Eltern aufzuklären und von dort die Einwilligung einzuholen, wobei auf entsprechende Äußerungen der Minderjährigen Rücksicht zu nehmen ist. Da grundsätzlich die Eltern nur gemeinschaftlich das Sorgerecht für das Kind ausüben, können sie auch nur gemeinschaftlich die Einwilligung zu einem Eingriff geben und es müssen daher grundsätzlich beide Eltern aufgeklärt werden. Es ist aber anerkannt, dass die Eltern sich gegenseitig ermächtigen können, für den anderen Elternteil mitzuentscheiden. Der Arzt darf daher auf eine derartige wechselseitige Ermächtigung vertrauen, wenn es sich um einfache, ambulante Eingriffe handelt.

Bei psychisch kranken Patienten muss die Aufklärung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter erfolgen. Sofern ein solcher nicht greifbar ist, ist ein gesetzlicher Betreuer zur Entgegennahme der Aufklärung und zur Entscheidung über die Einwilligung zu bestellen. Dies geschieht regelmäßig über das Gericht.

Gesetzlich ist in § 630e Abs. 5 BGB nunmehr zudem eine Erläuterungspflicht über die wesentlichen Umstände der bevorstehenden Behandlung gegenüber dem einwilligungsunfähigen Patienten vorgesehen. Somit sind auch Patienten, die aufgrund ihres Alters oder ihrer geistigen Verfassung nicht in der Lage sind, allein über die Behandlungsmaßnahme zu entscheiden, grundsätzlich in den Behandlungsprozess einzubinden. Hierdurch wird der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, wonach ein Einwilligungsunfähiger grundsätzlich über das Ob und Wie der Behandlung nicht im Unklaren gelassen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011, AZ: 2 BvR 882/09).

Seit dem in das Patientenrechtegesetz neu eingefügten § 630e Abs. 2 Satz 2 BGB besteht schließlich für den Arzt gegenüber dem Patienten eine Pflicht zur Aushändigung von Abschriften der Unterlagen, welche dieser im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat. Dem Patienten sind die Abschriften ohne explizites Verlangen oder Nachfragen unaufgefordert auszuhändigen.

Dr. Gerd-Marko Ostendorf
Versicherungsmediziner

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