Was sind die Voraussetzungen dafür, dass ein privater Berufsunfähigkeitsversicherer im Rahmen einer Nachprüfungsentscheidung einen bisher als berufsunfähig anerkannten Versicherten, der inzwischen einen anderen Beruf ausübt, auf diese Tätigkeit verweist (sog. konkrete Verweisung) und seine Leistungen deswegen einstellt? Dafür nannte das Oberlandesgericht (OLG) Jena mit Urteil vom 19.6.2025 (AZ: 4 U 537/23), über welches die Fachzeitschrift „Versicherungsrecht“ berichtet, generelle Vorgaben.
Entscheidend für die Frage, ob auf einen anderen Beruf verwiesen werden kann, ist ein Vergleich der durch die jeweiligen Berufe geprägten Lebensstellungen. Dabei wird die bisherige Lebensstellung durch die zuletzt (vor Eintritt der Berufsunfähigkeit) ausgeübte Tätigkeit geprägt.
Grundsätzlich muss der Versicherte gesundheitlich in der Lage sein, den Verweisungsberuf auszuüben. Er muss den Beruf in bedingungsgemäßem Umfang ausüben können, ohne Raubbau an seiner Gesundheit zu betreiben.
Für die Verweisung ist dann zunächst festzustellen, dass die Verweisungstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten als der in gesunden Tagen ausgeübte Beruf erfordert. Es handelt sich dabei um das wesentliche Element der Beurteilung, wobei nicht lediglich auf das Einkommen abzustellen ist.
Weiter ist zu prüfen, ob die Vergütung und die soziale Wertschätzung nicht spürbar unter dem Niveau des bisher ausgeübten Berufes absinken.
Um festzustellen, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, sind in einer Gesamtschau Kenntnisse und Fähigkeiten, Vergütung und soziale Wertschätzung gegenüberzustellen. Hierzu ist keine abstrakte Betrachtung der Berufsbilder vorzunehmen, sondern die konkrete Berufsausübung des Versicherungsnehmers ist in den Blick zu nehmen.
- Diese Grundsätze gelten auch bei der Nachprüfung des Fortbestands der Berufsunfähigkeit.
- Dabei ist zu beachten, dass jedes der drei Kriterien für sich gesehen erfüllt sein muss. Das Nichtvorliegen eines Kriteriums kann im Regelfall nicht durch ein anderes, z. B. durch ein höheres Einkommen, kompensiert werden.
Bei Einspruch gegen eine solche konkrete Verweisung im Rahmen der Nachprüfungsentscheidung hat der Versicherungsnehmer konkrete Umstände darzulegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit der neuen Tätigkeit ergibt, so das OLG. Ist er seiner Darlegungslast nachgekommen, obliegt es dem Versicherer zu beweisen, dass Vergleichbarkeit gegeben ist.
Quellen:
Versicherungsrecht, 76. Jg., Heft 17 vom 1. September 2025, S. 1053-1056
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