Bedingt durch die COVID-19-Pandemie und das damit einhergehende Post-COVID-Syndrom hat der Begriff der „Fatigue“ im klinischen Alltag deutlich an Bedeutung gewonnen, erklärte Prof. Dieter F. Braus, Klinikdirektor der Vitos Klinik Eichberg in Eltville (Rheingau), auf dem 15. Psychiatrie-Update-Seminar am 28. und 29. März 2025 in Mainz.
Aber sowohl Definition wie auch Ursachen der Fatigue differieren in Abhängigkeit des jeweils betrachteten Krankheitsbildes. Zudem verwenden Betroffene, die ihre Symptomatik im Klinikalltag beschreiben, scheinbar nahezu durchgehend die Begriffe Müdigkeit, Fatigue und Erschöpfung synonym. Diese drei Begriffe sind aber eher als distinkte Zustände zu verstehen, die auf einem Kontinuum in Relation zueinander gesetzt werden können:
Müdigkeit ist ein Zustand von akut verbrauchter Energie, der durch kognitive (z. B. Vergesslichkeit), emotionale (z. B. Gereiztheit) und körperliche (z. B. Druckgefühl in der Muskulatur) Symptome ohne Beeinträchtigung höherer Funktionsebenen gekennzeichnet ist, der kurz andauert und durch Erholung aufgehoben werden kann.
Fatigue ist das Ergebnis fehlender Adaption und Häufung von starker Müdigkeit, weshalb sie häufig als chronische oder anhaltende Fatigue bezeichnet wird. Fatigue ist charakterisiert durch einen Energiemangel von extremem Ausmaß. Dies hängt jedoch nicht mit körperlicher Aktivität zusammen und kann sich zudem unproportional verschlimmern. In Abgrenzung zur Müdigkeit nimmt die körperliche und mentale Einschränkung bei Fatigue trotz angemessener Erholung und Entspannung nicht ab.
Chronische Erschöpfung ist letztlich die Steigerung einer Fatigue, dahingehend, dass ein chronischer Energieverlust besteht, der durch ausgeprägte kognitive (z. B. Verwirrtheit), massive emotionale (z. B. Depression) und sehr starke körperliche (z. B. spontaner und unvorhersehbarer Energieverlust) Symptome gekennzeichnet ist und mehrere Jahre andauern kann. Das Aufrechterhalten höherer Funktionalität (wie z. B. soziale Aktivitäten) ist so gut wie nicht mehr möglich.
Myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist hierunter einzuordnen: Eine komplexe, schwere Erkrankung, die zumeist von einer akuten Infektionserkrankung ausgelöst wird. In ihrem Mittelpunkt stehen die Zustandsverschlechterung nach Alltagsbelastung (postexertionelle Malaise) und eine oft schwere Fatigue, unterschiedliche Schmerzen, Störungen von Schlaf, Denk- und Merkfähigkeit sowie Fehlregulationen von Kreislauf, Hormon- und Immunsystem. Weil die Krankheit bis heute eine Ausschlussdiagnose ist und damit auf einer sorgfältigen Stufendiagnostik beruht, stellt ME/CFS hohe Anforderungen an die Behandler, so Braus.
Ergänzend anzumerken ist, dass ME/CFS auch hohe Anforderungen an die Gutachter stellt!
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